apk im Zehnthaus Jockgrim

Jurierte Mitgliederausstellung - Grafik, Plastik, Fotografie
27.08.2006 bis 17.09.2006  | Zehnthaus Jockgrim
 
Ausstellende KünstlerInnen sind Roland Albert, Dietlinde Andruchowicz, Evelyn Blaich, Martin Blume, Arthur Bozem, Thomas Brenner, Karl-Heinz Deutsch, Victor Emanuel Eiselstein, Stefan Engel, Peter Frei, Klaus Fresenius, Barbara Giloi, Maximilian Hutlett, Erika Kloos, Edelgard Lösch, Christel Löwenheim, Reiner Mährlein, Erich Mang, Petra Meckel, Georg Pfadt, Christine Rapp, Felix Redlingshöfer, Franz-Georg Rössler, Eugen Roth, Erich Sauer, Martin Schöneich, Horst Schwab, Pan Stein, Cordula Wagner und Sandra Wickel.


Einführung von Clemens Jöckle


"Exempla trahant" = Beispiele mögen ziehen, dieses Wort begleitet in mehrfacher Hinsicht meinen Wunsch als einer der drei Vorstandsvorsitzenden der apk für die heute präsentierte große Ausstellung mit Grafiken, Fotografien, Klein- und Großplastiken von Mitgliedern der apk im Zehnthaus und im Ziegeleimuseum in Jockgrim. Doch nicht nur die aktuellen Arbeiten von ungefähr 30 durch eine Jury ausgewählten Künstlern werden gezeigt, sondern auch - und das ist besonders bedeutsam - die Werke, die im Laufe der Zeit durch den Veranstalter von vielen Mitgliedern der apk angekauft worden sind, werden ebenfalls an den Wänden im alten Teil der Scheuer mit ihren Fachwerkwänden präsentiert.

Dies vermag nicht nur die langjährige Geschichte der apk unterstreichen, wenn manche Frühwerke von heute längst etablierten Mitgliedern in dieser Sammlung auftauchen, nein die Veranstalter geben ein gutes Beispiel dafür, wie praktische Kunstförderung in der Region aussehen kann, denn eine solche Ausstellung gibt die willkommene Gelegenheit, sich einen Überblick über die Vielfalt und die Qualität der Kunstschaffenden heute zu verschaffen und darüber hinaus beispielhaft den künstlerischen Werdegang einzelner Künstler anhand gezeigter Beispiele aus den Ankäufen der Vergangenheit und dem aktuellen Schaffen zu verfolgen und zu vergleichen:

Zum Ersten hat eine solche Ausstellung eine dokumentarische Aufgabe, wenn sie in der Öffentlichkeit periodisch das Schaffen ihrer Mitglieder präsentiert. Sie führt damit jedem die Lebendigkeit einer Künstlergruppe vor Augen, zumindest so, dass sich darüber ein Urteil gebildet werden kann. Die Bewertung müssen wir wie immer den Betrachtern, den Förderern und den Kritikern überlassen. Diesmal hat die Jury bei dieser Ausstellung nicht zuletzt auf Grund des großzügigen Raumangebotes von manchen Mitgliedern größere Werkserien auswählen können. So gilt für diese Ausstellung die goldene, für alle Künstlergruppen aufgestellte Regel: "Regeln für die zeitgenössische Kunst werden immer erst aus ihr geformt." Wenn Sie glauben, dass dies ein aktuelles Zitat ist, darf ich Sie auf den Katalog der Berliner Sezession von 1898 verweisen, wo die Vielfalt der Ausdrucksformen und die Pflicht zum Individualstil jedes Künstlers eingefordert worden waren. Und geblieben ist die Einsicht in den beständigen Wandel und die Erkenntnis der Vielfalt der Kunstwerke. So steht in dieser Ausstellung die Diskontinuität im Vordergrund, die jede Einheitlichkeit in Frage gestellt hat. Für die Zusammenfassung der unterschiedlichsten Facetten und Sichtweisen auf die Welt bleibt als einzige Möglichkeit der Widerstreit, also Dissens statt Konsens, wie es der französische Philosoph Jean François Lyotard als "Durcharbeiten", als permanentes Redigieren der Positionen der Moderne empfiehlt. Daran arbeiten die Künstler in ihren Ateliers, den sanktionierten Freiräumen für permanente Verunsicherungen nach den eigenen Regeln in der Beachtung der eigenen Individualität. Das Resultat erweist sich, um Lyotard zu zitieren, anschaulich als radikale Pluralität. So bleibt für die einzelnen hier unmittelbar niedergelegten Positionen die Feststellung Ludwig Wittgensteins, dass hier Raum für alle Dinge im Geiste gegeben ist, von denen man denken kann.

Zum Zweiten tritt das Künstlertum der Pfalz in lebendigen Kontakt mit unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die, und das meint den zweiten Aspekt meines Wunsches "Exempla trahant", die potentiellen Käufer der Kunstwerke sein sollen. Mein Wunsch an die Kunstkäufer geht dahin, sich von der dargebotenen Vielfalt nicht erschlagen zu lassen, nicht nach dem Markt nur nach etablierten oder vermeintlichen Trends im Hinblick auf eventuelle Wertsteigerung zu schielen, sondern den Mut zur Avantgarde, zur Auseinandersetzung mit der Zeitgenossenschaft zu haben und Vertrauen auch in das eigene Qualitätsurteil. Selbst im Wissen, dass nicht nur die Künste sondern auch die Kunsturteile dem beständigen Wandel unterliegen.

So betrifft der dritte Aspekt "Exempla non trahentes", nicht nachahmenswerte Beispiele, denn entgegen des Pfälzers mit Paul Münch in der Pfälzischen Weltgeschichte formulierter landläufig schulterklopfender Meinung "jo, die Kultur in unserm Land, die isch tadellos instand" liegt hier Vieles im Argen. Dazu einige Beispiele: Das Land Rheinland-Pfalz gibt jährlich den zweitniedrigsten Betrag aller Bundesländer für Kultur aus, wie sie kürzlich in der Tageszeitung lesen konnten. Analog ließe sich mit Wolfgang Neuss, dem legendären Kabarettisten mit der Pauke, abgewandelt und zugespitzt formulieren: "Das Land Rheinland-Pfalz befindet sich mit diesem Jahresetat auf gleicher Stufe mit Trinidad und Tobago, aber die dort sind ein zivilisierter Staat".

Kunstsammeln als Kulturleistung findet im öffentlichen Raum seltener statt, ja viele einst vermeintlich mäzenatisch gesinnte Institutionen haben inzwischen nicht nur das Sammeln eingestellt, sonder treten als Verkäufer ihrer Kunstwerke auf. Ein besonders schlechtes Beispiel in unserer Region gibt die RV-Bank Rhein-Haardt. Im Internet bietet sie, was mein Patenkind entdeckt hat - die kennen sich mit dem Computer und den neuen Medien halt besser aus wie ich - unter www.rvbank-rhein-haardt.de Gemälde aus eigenem Besitz an, darunter ein preiswertes kraftvolles Spätwerk von Max Slevogt, sechs meines Erachtens in den Preisvorstellungen unrealistische Ölgemälde von Otto Dill und, was mich besonders ärgert - zum Spottpreis von je 100 EUR als Schnäppchen Werke junger lebender Künstler an, statt diese durch Ankäufe zu ermuntern und zu fördern. Gegen solche Praktiken kann man nur protestieren!

Treten Sie solchen kulturfeindlichen Tendenzen, verehrte Zuhörer entgegen, lassen Sie aber auch meinen Wunsch, "Exempla trahant" = die Beispiele mögen nachahmenswert sein durch Ihr Handeln zu der Feststellung "Exempla trahunt" = diese Beispiele sind nachahmenswert werden. Und damit das Zehnthaus Jockgrim auch von dieser Seite her mit goldenen Lettern in den Annalen der apk geschrieben sein. Wir sind gerne hierher gekommen, danken für das große Engagement, besonders des Hausherren Karl-Heinz Deutsch und seiner vielen Helfer. Begeben wir uns also nun ins Reich der tausendfältigen Sensationen, zu den Kunstwerken, anhand derer Künstler mit ihrer sensiblen seismographisch gefühlten Erregbarkeit ihre Weltbilder und ihre Anschauungen niedergelegt haben. Ich wünsche Ihnen beim Betrachten der Kunstwerke viele anregende Begegnungen.


Besprechung von Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz vom 01.09.06

"Am Computer gezaubert"


Auf die Bereiche Grafik, Plastik, Foto hat sich dieses Jahr die Ausstellung der arbeitsgemeinschaft pfälzer künstler (apk) konzentriert. Und verfügt derzeit im Zehnthaus Jockgrim und im dortigen Ziegeleimuseum über ausreichend Platz, ihre "künstlerischen Muskeln" spielen zu lassen.

Es sind die üblichen "Verdächtigen" und doch auch wieder nicht, deren Arbeiten - sehr luftig, mit viel Platz zum Atmen - aufgehängt sind. Man kann Bekannte und Bekanntes entdecken. Im Zehnthaus zum Beispiel Peter Frei mit seinen akribischen Kugelschreiber-Zeichnungen, Klaus Fresenius mit seinen schwungvoll lockeren Tuscheskizzen oder Dietlinde Andruchowicz mit einer ihrer - dieses Mal allerdings gar nicht so typischen -, aber wie immer sehr komplex und mit großer Solidität gestalteten Grafiken.

Und im Ziegelmuseum, wo sich Fotografie und Plastik versammelt haben, geschieht einem Ähnliches. Dort entdeckt man ebenfalls sattsam bekannte, freilich weiß Gott keine langweiligen Künstler, an deren Arbeiten man sich nicht "übersehen" kann, auch wenn sie unverwechselbar sind. Thomas Brenners inszenierte Fotografie beispielsweise, dessen fulminante Sequenz "Ohne Titel" sich an exaltiert posierenden Menschen inmitten fliegender Federn ergötzt; Martin Blume, dessen tiefengeschärfte Bilder einem glatt den Atem rauben ("Sacred Room"); Felix Redlingshöfers vermeintlich kühlen Frauenakte, deren glatte, schimmernde Oberfläche eine Unverletzlichkeit suggerieren, für deren Bestand niemand garantieren kann und will.

Martin Schöneichs rote und rostbraune "Gravitationen" geben skulpturale Unterweisung in die Gesetze der Schwerkraft, es sind sehr leicht, fast verspielt erscheinende Gebilde. Rainer Mährlein "Bandes de Rouille" - Stahlgestelle mit Papierbahnen - simulieren Durchsichtigkeit und verwehren doch die Blicke. Und auch Karl-Heinz Deutsch gibt seine (typischen), bildhauerischen Visitenkarten ab, wie man sie kennt und schätzt: diverse Knoten und ein Kopf.

Neu, im Sinne von in der Region noch relativ unbekannt, sind im Ziegeleimuseum die Bleiskulpturen von Edelgard Lösch ("Weibsleut", "Biedermeier"), deren grau gebrochene melancholische Fragilität verstört. Und im Zehnthaus machen Sandra Wickel mit ihren Grafiken und digital bearbeitenden Fotografien ("Strandimpressionen") und Eugen Roth mit seinen gleichfalls am Computer gezauberten konstruktivistischen Bildern ("Kristalliner Aufbau") auf sich aufmerksam.

Es gibt noch ganz und gar handgemachte Arbeiten - klar, zum Beispiel die humorvoll lasziven Tuscheskizzen von Erika Kloos ("Er und Sie") oder die informellen Bilder von Christel Löwenheim und Horst Schwab. Unverkennbar aber haben die Methoden der elektronischen Bildgestaltung in der Ausstellung ihre Spuren hinterlassen. In ein paar Jahren wird der Begriff Grafik jedenfalls ganz anders aufzufassen sein. Und Zeichnung, Radierung oder Lithografie werden womöglich so rar werden, dass man sie mit der Lupe suchen muss.

Im alten Teil des Jockgrimer Zehnthauses sieht man übrigens Bilder und Plastiken aus dem Bestand des Kulturvereins: von apk-Mitgliedern wie Klaus Heinrich Keller, Maximilian Hutlett, Franz Bernhard, Bernd Kastenholz, Karlheinz Zwick und - er hat sozusagen ein Zimmer ganz für sich allein - Gerd Ditz. Bis zu Albert Hauseisen, einem Gründungsmitglied der arbeitsgemeinschaft pfälzer künstler, reicht die Linie.

Die Besucher können das so oder so interpretieren: als Ausweitung der gegenwärtigen, wohl ziemlich konsequent jurierten Ausstellung oder als Reminiszenz an vergangene Zeiten.