Seit Mitte der 1980er Jahre inszeniert Thomas Brenner die "Wirklichkeit" vor der Kamera. Für seine Bilder erzählt er Geschichten, die in einem Kulminationspunkt ihres Ablaufs zu einem Ereignis oder zu einer Situation verdichtet werden. Es geht ihm dabei gleichermaßen um Zustände und Beziehungen, die in lesbarer Konstellation ein Bild ausmachen.
Für diese Art der Fotografie hat sich das Inszenierte oder auch Konstruierte als Kernstück herauskristallisiert. Fasst man den Begriff der Inszenierung weit genug, dann erweist sich alle Fotografie als inszeniert, da jeder Aufnahme die Absicht, ein Bild zu machen, vorausgeht, und so ein Kontext entsteht, der eine symbolische Haltung des Bildermachens erzeugt.
Thomas Brenner verschiebt die gewohnte und zur Normalität gewordene Haltung, indem er die zu fotografierende "Wirklichkeit" ironisch - manchmal auch sarkastisch - bricht. Sein Bildausschnitt wird zur Bühne, auf der das Spektakel mit Darstellern und Requisiten arrangiert wird. Wie im Theater spielen die Posen, die Kostüme, aber auch das Licht eine entscheidende Rolle. Licht und Farbigkeit sind häufig die transformierenden Mittel, sodass das Fotografische für die Inszenierung und das Inszenieren zur Ausgestaltung des fotografischen Bildes eingesetzt werden.
Letzteres ist das, was übrigbleibt. Insofern ist trotz aufwändiger Arrangements vor der Kamera das fotografische Bild die Quintessenz wie ein gedehnter "entscheidender Augenblick". Nur scheint die Wahl dieses Augenblicks willkürlicher zu sein, da ein Vorher und Nachher nicht zwingend aus dem ausgewählten Bild hervorgeht. Wenn im Theater der Vorhang geöffnet wird, registrieren wir als Zuschauer sofort den Bruch zu unserem Alltag. Ähnlich versucht Thomas Brenner seinen Inszenierungen den Hinweis zu geben: Achtung, dies ist eine Inszenierung!
Warum bei all diesem Bemühen nicht gleich Theater? Ein kleiner Unterschied könnte eine Antwort andeuten: Auf der Bühne des Theaters entstehen oder verschwinden Beziehungen durch Akteure, Dialoge, Handlungen etc. Im Bild ruht ein Potential von Beziehungen, das wir als Betrachter realisieren oder auch nicht. So implizieren Bilder Hypothesen über Phänomene, die durch uns Ereignis werden.
Inszenierungen vor der Kamera unterliegen den Kriterien von Bildern und nicht von Handlungen. Solche Konzepte sind uns aus der Werbung durchaus vertraut. Brenner setzt daher auf ungewöhnliche Begegnungen zwischen Menschen und Dingen, übertriebene Gestik und oft abstrus wirkende Kleidung. Der Perfektion zelebrierter "Scheinwelten" begegnet er mit den Illusionen des Alltags, den Absurditäten des Alltäglichen.
Prof. Manfred Schmalriede